Der Maler Peter Baer

Der Weg hin zur Farbe, wie ihn Peter Baer in den vergangenen Jahren beschritten hat, überzeugt. Die Farbe ist expansiv geworden. Er verwendet Farbe als Gegenstand und Gegenstand als Farbe.

Verinnerlichte, in oft extremen Spannungsverhältnissen (Fläche-Raum-Gegenstand) formulierte Inhalte greifen jetzt weiträumig über die gesamte Leinwand. Sie sind unmittelbar geworden (ohne sich im geringsten zu veräusserlichen).

Im Gegenteil: die Farbe bezeichnet nicht mehr, sie stellt Inhalt in ihrer Ausdehnung selbst dar.

Inhalte: eine unbestimmte Umschreibung, die auf verschiedenen Ebenen angesprochen werden muss.

Peter Baer ist ein visionärer Künstler, weil eine mystische Weltsicht seine Malerei bis ins Detail bestimmt. Jedes Bild kennzeichnet einen Durchbruch zum Metaphysischen: den Weg hin dazu! Ein Läuterungsweg. Ein aus der Malerei selbst entwickelter und vorangetriebener Weg, weshalb der Akt des Malens selbst eine Läuterung darstellt: So rasch ein Bild entstehen kann - Geschwindigkeit als ein auch im Bild nachvollziehbares Element -, so lange kann er daran arbeiten, oft über Monate. Eine Überarbeitung, die Verdichtung ist: Konzentration auf ein bestimmtes Bildmoment, bestehend aus Bewegung und Ausdehnung, Licht und Dunkel, Tiefe und Fläche, Ausdruck und Zustand. Verdichtung, die als solche zuerst gar nicht wahrgenommen wird, weil eine schwarze Fläche zum Beispiel mit Farben wieder und wieder unterlegt wird, bis sie transparent erscheint.

Peter Baer malt ein «Abendmahl», gleichsam schwarz in schwarz. Er malt das Schicksalhafte, gegen das er sich aufbäumt weil es nur Teil der Wahrheit ist. Der Künstler stellt Stier und Stierkämpfer als ein Wechselspiel zweier Kräfte dar, die in seinem Schaffen keineswegs ungleich sind, weil es keinen Besiegten gibt, nur Erschöpfung: Erkenntnis aus der Erschöpfung. Er malt den Stuhl, weil er Anwesenheit und Abwesenheit des Menschen in einem ist, weil er Ort ist auf dem Weg: ein Ort der Betrachtung, der Selbstbesinnung, des Ausruhens, des Kräfteschöpfens. Der Stuhl befindet sich oft im Zentrum eines Bildes und erscheint wie eine räumliche, in die Dynamik der Farbe umgesetzte Wegkreuzung.

Immer wieder geschieht, dass diese inhaltlich aufgeladenen Elemente ineinandergreifen, zum Beispiel die geöffneten Arme der Figur eines «Stierkämpfers“ in Verbindung mit einer Stuhllehne, so dass der Eindruck von Beschützen, Empfangen entsteht.

Im Buch 3 (Kapitel 35) schreibt Johannes vom Kreuz (1524-1591) über das Betrachten von Bildern religiösen Inhaltes. Er versucht dem Leser klarzumachen, dass nicht das Meisterwerk oder das kitschige Bild ausschlaggebend für die Betrachtung sind, sondern der Glaube. Aber da er ein ungemein kluger Mensch und ein grosser Dichter war, wusste er um die Bedeutung des Unterschiedes. So schreibt er, dass letztlich jenes Bild entscheidend sei, an das man sich in einem bestimmten Moment erinnere und das einen mit Hingebung erfülle.

Mir scheint, dass Peter Baer seine Bilder auf den Punkt bringen will, wo man sich an sie erinnert, vielleicht in einem bestimmten Moment, vielleicht überhaupt. Sicher ist es so, dass jeder Künstler dies letztlich anstrebt. Aber das Charisma von Peter Baer geht weiter: Er wünscht sich, dass man sich an seine Bilder nicht nur erinnert, sondern dass sie einen mit ihrer Energie erfüllen, mit jener transzendierenden, weltoffenen und von Liebe erfüllten Energie.

 

In: Peter Baer. Werke 1980/83.

Galerie „zem Specht“, 13.10. bis 5.11.1983

Kunsthalle Basel, 22.1. bis 26.2.1984